Tinnef (Ladenlokal)
Deko-Artikel Schmuck und Accessoires
Ausgabe September 2016
„Ich heiße Yvonne Plum, bin 58, sehe aber dank guter Gene wesentlich jünger aus ;-), bin in Köln geboren und hängengeblieben. Wer mich das erste Mal sieht, denkt wahrscheinlich eher „Punk“, aber, was Musikvorlieben und Lebensgefühl betrifft, bin ich ziemlich Goth.“
Das Tinnef existiert seit dem 12. September 2015, steckt also noch in den Kinderschuhen, ist aber schon ein bisschen ein Spiegelbild von Yvonnes Interessen. „Es gibt in meinem kleinen Laden in Köln-Mülheim Sachen aus dem Gothic-, Steampunk- und Post-Apokalypse-Bereich und hin und wieder kleine Kulturveranstaltungen.“
Bei Tinnef bekommt man immer wieder etwas Neues aus den oben genannten Bereichen. „Das hängt zum einen damit zusammen, dass ich selbst Dinge herstelle und dabei gerne Neues ausprobiere. Zum anderen verkaufe ich in Kommission Ware von anderen Designern und Designerinnen, die ebenfalls sehr kreativ sind. Da kommt außerdem immer mal wieder jemand dazu, der dann ebenfalls das Angebot erweitert. Da der Laden nicht all zu groß ist, muss ich mich im Angebot ein wenig beschränken. Deshalb findet man bei mir so gut wie keine Kleidung. Auch Hüte habe ich höchstens als Einzelstücke. Der Schwerpunkt liegt auf Deko-Artikeln, Schmuck und Accessoires. Davon gibt es dafür ganz viel und sehr unterschiedliche und ausgefallene Sachen.“
Die Entstehungsgeschichte von Tinnef liegt in der Kindheit von Yvonne Plum „In den letzten Jahren meiner Schulzeit habe ich für eine Kindermodenboutique Häkelsachen gemacht. Das war Ende der 70er, als Handarbeiten schwer „in“ waren. Ich hatte dafür keine fertigen Muster, sondern bekam von der Ladeninhaberin Sachen, die ich dann ähnlich nacharbeiten sollte. Das hat mir Spaß gemacht, auch wenn die Bezahlung eher mager war.“
„Ein paar Jahre später hatte ich eine Studiumskrise, wollte etwas anderes machen, als was ich angefangen hatte. Da kam dann wieder diese Idee: Warum nicht etwas mit Mode, Design, Handarbeiten und so machen? Bei der Studentenberatung vom Arbeitsamt wusste man allerdings wohl nicht, dass es in Köln eine Fachhochschule für Design gibt, und empfahl mir stattdessen eine Schneiderlehre. Fand ich doof und habe dann erstmal Sprachen studiert.“
„Darüber wiederum bekam ich 1990 einen Job als Fremdenführerin beim, wie es damals noch hieß, Fremdenverkehrsamt der Stadt Köln. Heute heißt das KölnTourismus. Die Zeiten ändern sich … Sehr schnell war für mich klar, dass mir diese Arbeit einen Wahnsinnsspaß machte und ich mehr davon wollte. Knapp drei Jahre später haben mein Mann und ich das erste privat geführte Stadtführungsunternehmen in Köln gegründet, inside Cologne. Inzwischen ist es eine GmbH geworden.“ Aber nach 20 Jahren wurde auch dieser wirklich tolle Beruf allmählich … langweilig für Yvonne. Muss man schon so sagen. Vieles war inzwischen Routine geworden, und so suchte sie neue Herausforderungen.
„2012/2013 gab es gerade diesen DaWanda-Hype. Da stand auf einmal wieder die Idee im Raum: Warum nicht mal mit den Händen kreativ sein, statt immer nur mit dem Kopf? Ich hab mir dann mal angeschaut, was andere so machen, und das Thema Upcycling für mich entdeckt. Also aus Dingen, die andere Leute wegschmeißen würden, etwas Schönes machen. Am 13. Dezember 2013 (!) habe ich das Gewerbe angemeldet und unter dem Label Cat Crazy Sachen bei DaWanda eingestellt. Doch der gewünschte Erfolg blieb aus. Das war schon sehr frustrierend. Ich suche die Schuld ja immer erstmal bei mir selbst. Was hatte ich falsch gemacht? Waren meine Sachen nicht gut genug? 2014 gab es bei mir in der Nachbarschaft einen Kunsthandwerkermarkt. Ich wollte es wissen und habe mich dafür angemeldet. Und siehe da: Meiner war einer der wenigen Stände, die richtig gut liefen. Das gab mir wieder Auftrieb.“
„2015 wurde mir immer klarer, dass ich einen Laden wollte. Im Mai lernte ich eine Frau kennen, die bereits seit Dezember einen hatte und nun einen Partner suchte. Wir haben es einen Monat miteinander probiert, aber das ging leider gründlich schief. Es hat mir aber auch gezeigt, was ich definitiv NICHT will: einen weiteren bunten Handmade-With-Love-Laden, der alles, vom Babysöckchen bis zum Rheumakissen, im Angebot hat.Die nächste Frage, die sich Ivonne stellen musste, war natürlich: Was will ich denn dann? „Natürlich etwas, was mir selber Spaß macht und wo ich zu stehe. Da es in Köln nicht gerade an jeder Ecke einen Gothic-Laden gibt, war für mich relativ schnell klar, dass ich in diese Richtung gehen wollte. Die Suche nach einem bezahlbaren Ladenlokal begann. Ende August wurde ich in meiner Nachbarschaft fündig. Die Lage schien, für den Stadtteil, ideal, der Vermieter ist nett, die Größe passte … na gut, die Miete ist höher, als wir ursprünglich eingeplant hatten. Aber irgendwas ist ja immer.“
„Innerhalb von nur drei Wochen haben wir renoviert, was noch zu renovieren war, Einrichtung gekauft und zusammengeschraubt und den Laden quasi aus dem Boden gestampft."
Währenddessen kamen noch zwei wichtige Fragen auf:
- Wie soll das Kind heißen?
- Wo bekomme ich noch mehr Ware her?
Die Idee zum Namen kam von ihrem Mann. Dazu muss man wissen, dass das „Tinnef“ in den 70er und frühen 80er Jahren die einzige Folk-Kneipe Kölns und gleichzeitig Yvonnes erste Stammkneipe war. In der Zeit, wo sie auch ihre ersten Handarbeiten verkauft habe … „Da schließt sich der Kreis, wie man sieht.“
„Tinnef“ heißt aber auch so viel wie „wertloses Zeug“. Was wiederum gut zu dem Upcycling-Ansatz passt.
„Den Schriftzug haben wir weitgehend von der Kneipe übernommen. Echt 70er also. Mit einer kleinen Veränderung. Fans der britischen Fernsehserie Doctor Who werden leicht erkennen können, das in dem „i“ eine Tardis (das Raumschiff des Doctors) versteckt ist. Ich bin selbst großer Doctor-Who-Fan. Deshalb gibt es auch eine Doctor-Who-Ecke im Laden mit kleineren Fanartikeln. Und natürlich hat der Doctor auch zum Untertitel beigetragen: Raum für Kultur und Zeitreisen. Es war von Anfang an klar, dass wir gelegentlich kleine Kulturveranstaltungen anbieten wollten. Aber warum „Zeitreisen“?“
Blieb noch das Problem mit der Ware. „Da hat mir zum Glück Luna Obscura vom Dunkel-Volk geholfen, die den Kontakt zu Dead Doll's Needful Things und abARTig herstellte. Über jemand anders kam dann noch Èteproléte hinzu. Und Larissa Klei mit Shirts und Steampunk-Ketten. Damit hatte ich sehr schnell einen soliden Grundstock, auf dem ich die letzten Monate weiter aufbauen konnte.“
Einen Webshop gibt es derzeit leider noch nicht. Homepage und Webshop sind geplant, aber noch im Aufbau. Wer allerdings auf der Facebook-Seite etwas sieht, was ihm gefällt, kann Ivonne gerne anschreiben. Nach Möglichkeit verschicke sie dich Artikel auch.
Bei der Frage nach Auftragsarbeiten setzt sie ein Jein. „Tatsächlich habe ich schon kleinere Auftragsarbeiten gemacht. Aber ich kann natürlich nicht alles. Wenn du z.B. eine Handtasche möchtest, kann ich dir eine häkeln. Oder, wenn es etwas teurer sein darf, aus Aufreißlaschen von Dosen herstellen. ;-) Nähen kann ich nicht. In dem Fall würde ich allerdings bei meinen KommittentInnen rundfragen, ob das jemand machen kann.“
„Prinzipiell kann man aber sagen, dass fast alles, was man bei mir im Laden sieht, auch nach eigenen Vorstellungen angepasst werden kann.“
Das Amphi Festival war für die Tinnef-Inhaberin heiß und anstrengend. ;-)
„Man muss bedenken, dass ich schon in den Wochen davor viele Sachen auf Vorrat produziert habe. Da ich ja noch nie einen Stand auf dem Amphi hatte, konnte ich den Umsatz insgesamt eben so wenig abschätzen wie das, was wirklich laufen würde. Das war schon einiges an Nervenstress im Vorfeld.“ „Am Freitag war Aufbau. Samstag war ich dann von 9:20 Uhr bis fast Mitternacht (mit kurzen Unterbrechungen) am Stand, Sonntag von 10:30 Uhr bis ebenfalls etwa Mitternacht. Anschließend musste alles in den Laden gefahren und im Laufe der Woche wieder eingeräumt werden. Das ist sehr viel Arbeit. Dazu kamen die tropischen Temperaturen im Zelt. Schade, dass ich keine Fächer im Angebot hatte. Die wären bestimmt super gelaufen. ;-)“
Highlights in der gesamten Tinnef-Laufbahn gibt es einige, doch das schönste sind für Yvonne die Veranstaltungen. "Es ist ja nur ein kleiner Raum. Wir haben gerade mal 15 Sitzplätze. Das ist also immer recht kuschelig und familiär. Um jetzt nur die letzten beiden Veranstaltungen zu erwähnen. „Im April war das Musiker-Duo The T.O.I. bei uns zu Gast. Die waren so fantastisch, da blieben die Leute wirklich auf der Straße stehen und haben von draußen applaudiert! Im Juni waren Judith und Christian Vogt bei uns und haben aus ihrem Steampunk-Roman „Die zerbrochene Puppe“ gelesen. Die beiden haben das mit viel Spaß und Engagement gemacht und das Publikum richtig in ihren Bann gezogen. Einfach toll!“
Wenn man etwas völlig Neues macht, geht man ja immer mit einer gewissen Naivität daran. Egal wie alt man ist. Und man verlässt sich viel zu sehr auf das, was andere mit vermeintlich mehr Ahnung einem erzählen. Pannen bzw. Schwierigkeiten sind also vorprogrammiert. „Da ich den Laden weitgehend alleine betreibe, wollte ich einen möglichst in meinem Wohnviertel, damit ich nicht so viel Zeit für Hin- und Herfahrt benötige. Ich habe keinen Führerschein und die Kölner Verkehrsbetriebe haben nicht den allerbesten Ruf, was ihre Zuverlässigkeit betrifft.“ Eine „gute Lage“ sollte er nach Möglichkeit auch haben. Und ja, die hat er: zwei Bushaltestellen direkt vor der Tür, eine Bahnhaltestelle ganz in der Nähe, Autofahrer können den Parkplatz vom Kulturbunker direkt gegenüber nutzen. Klingt eigentlich super. Zudem hatte ich mir auch etwas Laufkundschaft vom Kulturbunker versprochen, der ja Veranstaltungen der unterschiedlichsten Art anbietet und damit ein kulturell interessiertes Publikum anzieht.“
So weit die Theorie.
„Tatsächlich hat sich vom Kulturbunker bislang noch so gut wie niemand in den Laden „verlaufen“. Viele Besucher kommen mit dem Auto und gehen daher gar nicht auf meine Straßenseite. Auch die Bushaltestellen haben bisher nur sehr vereinzelt Besucher gebracht. Die gute ÖPNV-Anbindung spielt wohl hauptsächlich bei den Veranstaltungen eine Rolle. Und ja, offiziell ist die Berliner Straße eine Einkaufsstraße. Aber man muss sich auch anschauen, WAS da an Läden ist: ein Fachhandel für Kücheneinrichtungen, zwei türkische Brautmodengeschäfte, drei Frisöre, ein Nagelstudio, zwei türkische Supermärkte und ein deutscher, ein Drogeriemarkt … Das ist jetzt nicht wirklich so das, was zum gemütlichen Window-Shopping einlädt.“
„O.k., ich war realistisch genug, davon auszugehen, dass es mindestens ein Jahr dauern würde, bis der Laden läuft. Wobei „laufen“ heißt, dass ich nicht mehr zuzahle. Das war auch so das, was ich von anderen zu hören bekam: „Ein Jahr musst du einkalkulieren.“
„Inzwischen weiß ich, dass man bei Aussagen von Mitbewerbern vorsichtig sein muss. ;-) Nein, auch nach einem Jahr trägt sich der Laden noch nicht. Aber immerhin habe ich mir mittlerweile ein kleines Stammpublikum aufbauen können. Es geht also voran. Außerdem fahre ich inzwischen auf Szene-Märkte in der Gegend. Da werden meine Sachen sehr gut angenommen und insbesondere auch die Vielfalt des Angebots gelobt. Das baut einen schön auf, wenn man gerade mal wieder eine Woche vergebens im Laden auf Kundschaft gewartet hat. Und bringt auch ein deutliches Mehr an Umsatz. Mit diesen beiden „Schienen“ hoffe ich, dass ich Mitte nächsten Jahres vielleicht wirklich nicht mehr zu zahlen muss.“
„Jedem, der sich wünscht, auch einen Laden in dieser Art aufzumachen, kann ich nur sagen: „Entweder du hast das nötige Kapital, um mindestens zwei Jahre überbrücken zu können. Oder du hast noch eine weitere Einnahmequelle, mit der du deine Betriebskosten decken kannst. Ansonsten lass die Finger davon.“ Und noch etwas braucht man unbedingt: eine riesige Portion Enthusiasmus! Wenn das Tinnef nicht wirklich eine Herzensangelegenheit für mich wäre, hätte ich wahrscheinlich schon vor einem halben Jahr zugemacht. Denn reich werden kann man mit so etwas definitiv nicht.“
Hier findet Ihr Tinnef
Raum für Kultur und Zeitreisen
Berliner Straße 23
51063 Köln-Mülheim
Tel.: 0221/6209 1029
Öffnungszeiten:
Di-Mi: 10 - 13 & 14 - 16 Uhr
Do-Fr: 10 - 13 & 14 - 20 Uhr